Durch das ehemalige KZ Auschwitz gehen, die Sperrzone von Tschernobyl entdecken und die erste Nervenheilanstalt der Welt besuchen – Dark Tourism ist eine außergewöhnliche Art des Reisens, die mit Tragödie verbunden wird. Wir verraten euch, was es mit diesem Phänomen auf sich hat.

Warum tauschen immer mehr Urlauber Dark Tourism gegen einen entspannten Strandurlaub ein? Wie kommt es, dass Touristen ihren Urlaub in verlassenen Städten, an Orten des Schreckens und Schauplätzen von Krieg, Tod und Folter verbringen wollen? Wir erklären euch, was Dark Tourism, also Katastrophentourismus, genau ist und zeigen euch die grauenhaftesten Orte der Welt.

Alles über Dark Tourism

Was ist Dark Tourism?

Dark Tourism wird auch Katastrophentourismus oder Thanatourism genannt und beschreibt das Reisen an Orte, die von Leiden, Schmerz, Verbrechen, Naturkatastrophen oder Tod geprägt sind. Teilweise vermitteln manche Gedenkstätten lehrreiche und geschichtliche Hintergründe, während andere auch die reine Sensationsgeilheit neugieriger Touristen anziehen. Auch lokale Tourismusagenturen wittern immer häufiger die Chance, lukrative Geschäfte mit Horror oder dem Leiden anderer Leute zu machen und Touren durch die schlimmsten Gegenden anzubieten.

Dark Tourist auf Netflix

Besonders durch die auf Netflix laufende Dokumentationsreihe Dark Tourist wird das Thema immer bekannter. Dort reist ein Reporter an die gefährlichsten Orte der Welt, begibt sich auf die Spuren des Killers Pablo Escobar, geht in das verlassene Gebiet der Nuklear-Katastrophe in Fukushima und auf die Geisterinsel Hashima, streift durch den Selbstmordwald Aokigahara und beobachtet Dämonenaustreibungen in Mexiko.

Gründe für das Phänomen Dark Tourism

Doch warum bezahlen Touristen freiwillig teils hohe Preise, um in Kriegsgebiete oder an Tatorte brutalster Verbrechen zu reisen? Vielen Besuchern hilft es, diese Orte mit eigenen Augen zu sehen und die beklemmende Atmosphäre zu spüren, um sich in die Rolle der Opfer hineinzuversetzen, Geschichten zu verstehen und ihr Mitgefühl zu stärken. Andere suchen nur den besonderen Nervenkitzel zwischen dem gewöhnlichen Sightseeing-Programm. Auch um sich selbst in eine bessere Position zu bringen, konfrontieren sich Menschen mit dem Leid anderer, um dann festzustellen, wie gut sie es selbst haben.

10 Dark Tourism Ziele weltweit

Jedes Land hat seine dunkle Geschichte, weshalb es auch auf der ganzen Welt verteilt düstere Orte gibt, die Schauplätze des Krieges und des Schreckens wurden. Wir zeigen euch ein paar Beispiele – die zehn krassesten Dark Tourism Orte.

1. Killing Fields in Kambodscha

Bis vor gerade einmal etwas mehr als 40 Jahren herrschte in Kambodscha ein skrupelloses Regime – die Roten Khmer – das alles städtische Leben beenden wollte. Dafür wurde die gesamte städtische Bevölkerung aus ihrer Heimat auf brutalen Gewaltmärschen aufs Land zu sogenannten Killing Fields getrieben.

Am Killing Tree wurden Kinder totgeschlagen

Dort wurden alle Gebildeten, Lehrer, Ärzte und Studenten erbarmungslos ermordet. Insgesamt starb ein Drittel der Bevölkerung. Auch Babys und Kinder wurden an einem Baum zu Tode geschlagen, an dem ihr heute noch unzählige Armbänder seht, die an das unglaubliche Verbrechen erinnern sollen. Der Horror an dem Gedenkort ist heute noch überwältigend: Zahlreiche Massengräber befördern bei Regen immer wieder Knochen ans Licht. Ein Gang aus wandhohen Glasvitrinen, gefüllt mit Schädeln der Verstorbenen, kann in dem Museum besichtigt werden.

Killing Fields in Kambodscha

2. Konzentrationslager in Deutschland

Auch unsere Nachbarn haben eine schreckliche Vergangenheit, wie ihr alle wisst. In Deutschland wird besonders darauf geachtet, dass die Geschichte nicht in Vergessenheit gerät, weshalb der Nationalsozialismus in jedem Geschichtskurs und in Dokumentationen immer wieder thematisiert wird.

Gedenkstätte Dachau

  • Ort/Lage: nahe München
  • Öffnungszeiten: tägl. 9-17 Uhr
  • Geführte Tour: tägl. 12 Uhr, 2,5 Std.
  • Preis: 4€
  • Eine KZ-Besichtigung gehört zum Pflichtprogramm und wird euch nachdenklich machen. Die Erinnerung an meinen ersten Besuch des beeindruckenden Geländes Buchenwald bei Weimar macht mich heute noch traurig. Dort ist der Eintritt übrigens sogar kostenlos. Auch in Dachau gab es ein KZ, dessen Besuch euch tiefgehend berühren und euch die erschreckende Realität vermitteln wird.

    Konzentrationslager Buchenwald

    3. Auschwitz in Polen

    Das größte und bekannteste Konzentrationslager der Nazis ist Auschwitz Birkenau in Polen, in dem über eine Millionen Menschen, hauptsächlich Juden, ermordet wurden oder an den Folgen von Hunger und Krankheiten starben. Auch grauenhafte, medizinische Experimente wurden hier an lebenden Menschen durchgeführt. Die Gedenkstätte gehört zu den meistbesuchtesten Dark Tourism Destinationen der Welt.

    4. Geisterdorf in Frankreich

    Ein weiteres SS-Massaker ereignete sich 1944 in dem französischen Oradour sur Glane. Rund 150 Soldaten umstellten das Dorf, dessen bewohnende Frauen und Kinder in eine Kirche gesperrt und in Brand gesetzt wurden, wohingegen die Männer des Dorfes erschossen und ebenfalls verbrannt wurden. Nur sechs Personen überlebten, während das restliche Dorf komplett ausgerottet und verwüstet wurde. Die Ruinen scheinen heute noch wie gerade verlassen, rostige Fahrräder und Autos stehen herum, in den Häusern findet ihr Nähmaschinen und Fotos, die an die Verstorbenen erinnern sollen.

    Oradour sur Glane in Frankreich

    5. Verdun – Frankreichs größtes Schlachtfeld

    Auch Verdun liegt in Frankreich, wo vor vielen Jahren 300 Tage lang Soldaten verbissen gegeneinander kämpften und ca. 300.000 von ihnen ihr Leben ließen. Ein Meer aus weißen Kreuzen erinnert an jeden einzelnen von ihnen. Für viele Besucher ist die Besichtigung des stillen, bedrückenden Ortes wichtig, um zu verstehen wie wertvoll und alles andere als selbstverständlich der heutige europäische Zusammenhalt und Frieden ist, im Gegensatz zu den blutigen und sinnlosen Kriegen.

    Gräber in Verdun

    6. Ground Zero in New York

    Viele von uns haben noch die Bilder von den brennenden, eingestürzten Türmen des World Trade Centers in New York aus den Nachrichten im Kopf, in deren Trümmern fast 3.000 Menschen ums Leben kamen. Der Anschlag gilt als einer der größten der Geschichte, weswegen der Ort des Schreckens zu einer großen Gedenkstätte, dem Ground Zero, ausgebaut wurde, den viele bei ihrem Sightseeing in New York besuchen. Als Dark Tourists bekommt ihr hier bei Workshops die Möglichkeit, mit Angehörigen und überlebenden Opfern zu sprechen und Fotos der Bergungsarbeiten sowie Überbleibsel aus den Büros anzuschauen. Das unfassbare Unglück soll euch so greifbarer gemacht werden.

    Ground Zero in New York

    7. Pompeji bei Neapel

    Nicht nur Menschen können brutal sein, auch Naturkatastrophen fordern immer wieder Menschenleben.

    Meterhoch wurden Stadt und Menschen unter Glut und Gestein begraben

    So brachte der gigantische Vulkanausbruch im Jahr 79 n. Chr. 16.000 der 20.000 Einwohner Pompejis ums Leben. Diese starben in den heißen Glutwolken qualvoll und wurden mitsamt der Stadt zwölf bis 20 Meter hoch von Vulkanasche und Gestein begraben. Durch die Gesteinsschicht ist Pompeji heute eine der besterhaltensten Städte der Antike, die mittlerweile durch Ausgrabungen freigelegt wurde und zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Italiens gehört. Von dem jahrhundertealten Schutz befreit, leiden die Ruinen jetzt unter den zahlreichen Besuchern. Besonders fasziniert sind diese von den Leichenfiguren, die beim Ausgraben aus Gips entstanden, der in Hohlräume des Lavagesteins gekippt wurde.

    8. Tschernobyl in der Ukraine

    Hinweis: Aufgrund der aktuellen Kriegssituation und des Notstandes ist keine Einreise in die Ukraine möglich! Mehr Infos findet ihr auf der Seite des BMEIA.

    Die Katastrophe in Tschernobyl war der erste nukleare Unfall diesen Ausmaßes, die schwere gesundheitliche, teils tödliche Folgen für viele Menschen mit sich brachte. Kaum vorstellbar, dass heutzutage Touristen freiwillig in das immer noch verstrahlte, verlassene Gebiet reisen. In geführten Touren werdet ihr durch die evakuierten Wohnhäuser der Geisterstadt Prypjat geführt, könnt mit ehemaligen Bewohnern sprechen und bekommt sogar Zutritt in die Sperrzone und das Kernkraftwerk.

    Die junge Organisation chernobylwel.com bietet verschiedenste Touren an. Ein Teil des Geldes wird direkt an krebskranke Kinder und die Babuschkas (Omas) von Tschernobyl gespendet.

    Kritik an Tschernobyl Touristen

    Der durch die Serie „Chernobyl“ ausgelöste Hype um Reisen in die Sperrzone löste jüngst eine Diskussion aus: Ist ein solcher Katastrophentourismus moralisch vertretbar oder aber ein Hohn für die Opfer? Besonders das Verhalten einiger Instagrammer, die sich in fraglichen Posen in Prypjat fotografieren lassen, sorgten dabei für Unmut. Verständlich – der Besuch eines Unglücksortes wie Tschernobyl sollte in den Augen der meisten Menschen zum Nachdenken anregen und nicht zur Selbstdarstellung genutzt werden.

    Pripyat in der Ukraine

    9. Hiroshima in Japan

    Auch in Japan kam es zu einer Nuklearkatastrophe, hier allerdings durch Menschen ausgelöst, die im Zweiten Weltkrieg 1945 die erste Atombombe abwarfen. 200.000 Einwohner kamen durch die Explosion oder spätere Folgen ums Leben. Verstrahlt ist das Gebiet heute nicht mehr sonderlich, hier floriert heute wieder eine lebendige Großstadt. Allein die Ruine, die sogenannte Atombombenkuppel, erinnert heute als Friedensdenkmal Hiroshima an die einstige Zerstörung. Ein bedrückender und gleichzeitig lehrreicher Ort.

    Hiroshima in Japan

    10. Aokigahara Wald in Japan

    Ein weiterer Ort in Japan, der immer häufiger Dark Tourists anzieht, ist der gespenstische Wald Aokigahara am Fuß des Fuji Vulkans, einer der gruseligsten Orte der Welt. In dem dichten, dunklen Wald kann man schnell die Orientierung verlieren und im Dickicht auf einige kalte Höhlen stoßen.

    Nach einer japanischen Legende ist der Wald verflucht und angeblich von Yürei-Geistern bewohnt, die Besucher zum Suizid drängen und somit in den Tod locken wollen. Durch solche Geschichten ist der Wald tatsächlich zu einem anziehenden Ort für Lebensmüde geworden. Immer wieder werden Leichen im Wald gefunden, weshalb er auch als „Selbstmordwald“ oder Suicide Forest bekannt ist.

    Aokigahara Wald in Japan

    Lehrreicher Tourismus oder Sensationslust?

    Hat es auch euch in den Bann gezogen und ihr seid fasziniert von den geschichtsträchtigen, grauenhaften Orten? Oder schreckt euch die Vorstellung ab, freiwillig Tatorte von unbeschreiblichen Gräueltaten zu besuchen? Dark Tourism ist eine heikle Gratwanderung: Viele Menschen finden es unmöglich, dass mit Horror und dem Leiden Verstorbener heute noch Geld gemacht wird und neugierige, sensationslüsterne Touristen zum Gaffen dorthin strömen. Besonders Katastrophentourismus, bei dem Menschen nur zum Gucken an Unglücksorte wie das gekenterte Schiff Costa Concordia oder Kriegsgebiete in Afghanistan und Iran reisen, ist für die meisten unverständlich und erinnert an Schaulustige bei Verkehrsunfällen. Andere halten an der Notwendigkeit lehrreicher Gedenkstätten fest. Wenn ihr euch dazu entscheiden solltet, mal einen solchen Ort zu besuchen, solltet ihr euch vorher darüber klar werden, dass vor allem an Tatorten besonders vorsichtiges Verhalten angemessen ist.

    Die-archaeologische-Ruine-der-antiken-roemischen-Stadt-Pompeji-shutterstock_1168994017

    No-Go’s und richtiges Verhalten

    Haltet unbedingt von Touren Abstand, bei denen das Leiden keinerlei geschichtliche Bedeutung hat. Dazu gehören etwa Slum-Touren, bei denen Touristen in Scharen durch die schlimmsten Armenviertel gekarrt werden und die im Dreck lebenden Kinder wie Tiere im Zoo angeguckt und fotografiert werden. Fairerweise muss man sagen, dass es auch sehr gute Touren gibt, bei denen die Bewohner selbst ihr Leben im Slum vorstellen und von dem Erlös profitieren.

    Lasst Handys in der Tasche – die Eindrücke vergesst ihr nie

    Was leider auch vorkommt, ist unangemessenes Verhalten der Touristen wie etwa fröhliche Selfies an Orten zu schießen, an denen Menschen ums Leben kamen. Zeigt Respekt gegenüber der Opfer und macht unbedingt andere Touristen darauf aufmerksam, falls ihr so ein Verhalten beobachtet. Informiert euch schon im Voraus über die grobe Geschichte, kleidet euch angemessen und verhaltet euch vor Ort ruhig und zurückhaltend. Lasst Handys und Kameras in der Tasche – diese Erlebnisse werdet ihr sowieso nie vergessen.

    Favela in Guatemala

    Wie steht ihr zum Thema Dark Tourism?

    Wie ihr merkt, gibt es zahlreiche spannende und abscheuliche Orte, die an furchtbare Geschehnisse erinnern. Über den Dark Tourism scheiden sich die Geister: Jedem ist selbst überlassen, ob diese Art der Rundreise vertretbar ist oder nicht. Was denkt ihr darüber? Lasst es uns in den Kommentaren wissen und nehmt an unserer Umfrage teil!

    Das könnte euch auch interessieren